Kaum der Welt von Goethe, Sigmagrenzen und endoplasmatischen Retikulen entkommen, wartet das nächste Abenteuer: ein freiwilliges politisches Jahr in einer Pressestabsstelle. Hier möchte ich darüber schreiben; teils für euch - damit auch ihr mitbekommt, wie es mir geht, obwohl uns mitunter Ozeane trennen - teils für mich - als Onlinetagebuch und Schreibübung. Hier also ein Blog über mich, Bonn und ein gutes Leben. Bühne frei für La Bonn(e) vie!
Mittwoch, 30. November 2011
Berlin, Berlin
Dienstag, 29. November 2011
Die Hütte brennt
Eigentlich wollte ich am 30. November etwas dazu posten, dass ich jetzt genau drei Monate in Bonn wohne, dass es noch 18 Arbeitstage sind bis bereits ein Drittel meiner Zeit hier vorbei ist und wie es mir damit so geht. Doch unser Organisationsjubiläum kam mir dazwischen. Am 29. kocht hier die Stimmung, Stress ist angesagt. Das ganze Haus scheint mit seinen Aufgaben nicht rechtzeitig fertig werden zu können, alle blicken wild auf ihren Bildschirm, Deadline ist Deadline. Um den Stress abzubauen, werden Situationen absichtlich zum Eskalieren gebracht, Telefonhörer werden geknallt, man schreit entweder den PC oder sich gegenseitig an. Vor dieser Irrenhauskulisse kommt unsere Pressesprecherin zu mir. "Sophie", ich denke, ich soll ihr etwas kopieren, "Sie fahren morgen nach Berlin." Fast am rausgehen noch die Frage "Oder haben Sie etwas dagegen?" Nein, habe ich nicht - aber warum? Eine Katastrophe ist passiert. Die arme Pressesprecherin hat im Moment mit ihrer nicht mal vollen Stelle zwei Jobs. Ihren und den der Stabsstellenleiterin, weil diese in der Babypause ist. Jetzt ist auch noch die Babysitterin der Pressesprecherin krank geworden und sie kann erst Donnerstagmorgen zur Pressekonferenz nach Berlin fliegen. Zum Vorbereiten muss ich fahren - wie schade.
Heimatgefühle
Montag, 28. November 2011
Keep moving
Die Jagd auf eine tolle WG wurde eröffnet. Damit ihr nichts verpasst, hier ein Abriss über meine möglichen Lebensabschnitts- Mitbewohner und das eventuelle neue Homecastle:
Keine halben Sachen, bitte!
Steckbrief: keine weiteren Informationen
"DU KÖNNTES IN MEINER WOHNUNG MIT WOHNEN ICH HABE EIN GROSSE ZIMMER GETRENNT MIT VORHANG LINKS GROSSES BETT RECHTS GROSSE LIEGE SOFA" Privatsphäre war gestern, Luxus auch. Dafür sei er kein Spinner und diskret. Immerhin das. Könnt ihr euch trotzdem vorstellen, welches Angebot ich ausgeschlagen habe?
Lebensmittelpunkt Godesberg
Steckbrief: 1w3m, 20-36 Jahre, Preis im Mittelfeld, groß
Klarer Vorteil: zehn Minuten Fußweg zur Arbeit. Und warum nicht in den Stadtteil ziehen, in dem einst (und heute immernoch) Bundespolitik entschieden wurde? Wer weiß, welche Vorteile es hat, so nah am Zentrum der Macht zu sein.
Schon von unten hört man das Lachen, das auch nicht aufhört, als ich in der Wohnung bin. Sehr sympathisch. Das Zimmer ist ziemlich groß und nicht ganz so gemütlich auf den ersten Blick, dafür geht es nicht auf die Zugseite raus. Die Leute sind total nett und unternehmen öfter mal was gemeinsam. Der Balkon ist riesig und ein ungeschliffener Diamant, wie mir gesagt wird. Im Sommer (wenn es warm ist, die Bäume grün und das Gerümpel weggeräumt), sei er total super. Ich kann mir durchaus vorstellen, hier zu wohnen, mal schauen, was sie sagen werden.
Streetview überzeugt
Steckbrief: 1m, 25 Jahre, Preis an oberer Grenze, eher groß
Ein kurzer Blick mit Google Streetview und ich weiß, warum ich mir die Wohnung anschaue. Gegen die Bonner Altstadt sehen die anderen Wohnungen eben schäbig aus, was will man machen.
Und tatsächlich: ich betrete den Flur und sehe Stuck, es reicht nach Museum und ich schmelze dahin. Nachdem ich den fünften Stock erklommen habe, bin ich in der Wohnung. Gerade frisch renoviert, riesen Küche, alles neu. Das Zimmer ist recht groß aber gemütlich, Blick über die Bonner Dächer, wunderschön. Der Mitbewohner sehr nett, haben uns auch ganz gut unterhalten. Aber obwohl er immer weider betont hat, dass er keine Zweck- WG will, klang es eher so, als hätten wir nicht so viel miteinander zu tun, wenn ich einziehen würde. Außerdem sind wir nicht so richtig richtig warm geworden, es war etwas distanziert - zum Glück, sonst wäre es mir sehr schwer gefallen, die Wohnung nicht zu nehmen und wie gesagt, eigentlich ist sie fast zu teuer. Er wird sich erst Mitte Dezember melden, das heißt also, ich kann also abwarten, was alle anderen sagen.
Mein Block
Steckbrief: 2w, 19-20 Jahre, Preis im Mittelfeld, mittelgroß
Tannenbusch ist das Ghetto Bonns. Während der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund (mit und ohne deutschen Pass) in NRW bei etwa 22,9% liegt, kommt Tannenbusch auf stattliche 55,8%, 2009 wurde ein Bericht über dieses Viertel veröffentlicht - der Name: "Ein Stadtteil braucht neue Perspektiven". Die zwei Mädels, die die WG- Beschreibung verfasst haben, meinten, sie hätten noch gar nichts davon mitbekommen. Auf einen Versuch habe ich es also ankommen lassen.
Doch nicht, der Termin wurde kurzfristig abgesagt, sie hätten schon jemanden. Naja, ist mir vielleicht ganz recht.
Wo ist der Haken?
Steckbrief: 2m, 25-26 Jahre, Preis im Mittelfeld, riesiges Zimmer
Ein riesiges Zimmer, eine Tramstation vom Hauptbahnhof entfernt, Preis okay, die Mitbewohner angeblich nett, keine Zweck- WG - wo ist der Haken? Ich werde es rausfinden.
Das Haus ein bisschen so schön wie das in der Altstadt, macht einen guten Eindruck. Die beiden Mitbewohner ganz süß, ein bisschen schüchtern. Keine Überraschung: ein Informatiker (der aus Polen kommt, da studiert hat, dann in Holland gearbeitet hat und jetzt hier wohnt, noch arbeitet, bald aber studieren will) und ein Physik- Doktorant. Das Bad hat meine Lieblingsfarbe, die Küche ist klein, das Zimmer riesig, aber trotzdem gemütlich. Alles in allem gefällt es mir gut, ich habe nur ein bisschen Angst, dass ich an zwei Nerds geraten könnte, aber eigentlich wirken sie nicht so. Auch das könnte ich mir vorstellen.
Schicksalswege
Steckbrief: 2w, 21-24 Jahre, niedriger Preis, klein
Die folgende WG liegt in der Straße, in die auch Miri gezogen ist. Miri ist die junge Dame, die vor mir in meinem jetztigen Zimmer gewohnt hat. Ist es also ein Omen, dass mir diese WG- Beschreibung sympathisch war? (Nein, ich habe nicht manipuliert, die Adresse habe ich erst später rausgefunden!) Außerdem würde meine neue Mitbewohnerin Anne heißen, ein Zeichen?
Das Zimmer hätte mir sehr gut gefallen, der Preis hätte überzeugt. Aber eine der Mitbewohnerinnen war überzeugte CDUlerin, die anderen beide ohne politische Meinung. Die Toilette wäre auf dem Hausflur gewesen. Hm.
Sonntag, 27. November 2011
Der Advent kann kommen
Mittwoch, 23. November 2011
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr...
Hohoho, das tut es. Die passenden Lieder proben wir im Betriebschor ja schon seit drei Wochen. Mittlerweile habe ich mich auch breitschlagen lassen und habe Spekulatius gekauft. Er steht noch ungeöffnet in meinem Regal und ich denke, ich werde mindestens bis zum ersten Advent durchhalten, bis ich ihm verfalle. Immerhin möchte ich mir nicht sagen lassen: "Du siehst immer so verhetzt aus, ein Mensch mit gutem Gewissen tut das nicht. Denn Moral ist, wenn man moralisch ist", das wusste schon Georg Büchner. Dazu gehört eben auch, auf den Spekulatius zu warten, bis Weihnachten ist, so! Ansonsten gebe ich zu, dass ich schon zwei Mal auf dem Weihnachtsmarkt war. Zwischen leuchtenden Bäumen, die noch grün waren, obwohl sie nur zur Sommerzeit und nicht im Winter, wenn es schneit... grünen, gab es mit Leo, Anne und Fassi schon Glühwein, heißen Met und heißen Kakao. Mit Jessi habe ich mir vor allem Weihnachtskitsch angeschaut und jetzt selbst ein bisschen Lust bekommen, die Wohnung zu dekorieren. Meinen Adventskalender habe ich leider zu Hause vergessen, ich hoffe, er erreicht mich noch rechtzeitig auf dem postalischen Wege. Ob ich mir vielleicht vier Kerzen zulege, oder Fensterschmuck bastle, habe ich noch nicht entschieden. Ansonsten fehlen für einen gelungenen Advent noch Schnee und Plätzchen. Auf ersteres werde ich in Bonn wohl verzichten müssen, habe ich gehört. Im Moment blühen sogar die Fuchsien und Magarithen meiner Kollegin wieder. Um letzters werde ich mich wahrscheinlich mit meiner Mitbewohnerin am Wochenende kümmern, dazu leiht uns dann ihre Schwiegermutter in spe in chrsitlicher Nächstenliebe eine Waage und ein Rührgerät. Hoffentlich. Um die Geschenke kümmere ich mich noch, immerhin ist die Adventszeit dieses Jahr so lang wie sie überhaupt sein kann, weil Heilig Abend auf einen Samstag fällt. Ich hetze also nicht.
Für alle, die einen kleinen Eindruck unserer Adventsdarbietung haben wollen, hier die Titel:
- Halle, Halle, Hallelujah (ein Gospellied für die gute Laune)
- Il est né le divin enfant (das französsiche Stück, für die Internationalität)
- The first Noel (der einfache Teil für die Fülle)
- Oh du fröhliche! (der Klassiker zum Mitsingen)
Alles bei youtube zu finden, aber natürlich nicht in der Qualität, die unser anarchischer Chor zustande bringt.
Ansonsten lege ich euch folgende Lieder noch besonders an's Herz:
- Eartha Kitt - Santa Baby
- Jona Lewie - Stop the cavalry
Montag, 21. November 2011
Update
Freitag, 11. November 2011
De Spass nemme mer Ernst!
Nachdem die letzten Tage nicht die schönsten meiner Zeit hier waren, gab es heute wieder Lichtblicke.
Zu erst aber noch ein Rückschlag: wer erschöpft, mit Heimweh und von Sinnkrisen gebeutelt auf bessere Momente hofft, mag an das Bild der Flut nach der Ebbe denken, um sich aufzumuntern. Dass diese Flut im Sinne einer kaputten Waschmaschine kommt, wird selten erträumt. Mein Problem war, dass sie das Wasser einfach nicht abgepumpt hat, ich damit die Türe nicht öffnen konnte. Nach kaum vier Stunden Schlaf (der Gedanke, die Maschine könnte kaputt sein und durch das viele Wasser meine ganzen Pullis auch, trieb mich ziemlich um), bekam ich morgens den Tipp, wie ich das Wasser manuell ablassen könnte. Funktioniert hat das zwar nicht, aber wie durch ein Wunder lies sich die Tür wieder öffnen. Drei Stunden lang - dann musste ich zur Arbeit - habe ich dann die Wollsachen ausgewrungen, die Küche geputzt und versucht mein Zimmer durch Handtücher vor der drohenden Überflutung zu schützen, was nur mittelmäßig gut funktionierte.
Total fertig und am Ende mit den Nerven begab ich mich zur Arbeit. In der Tram eine mannshohe Zigarette. Draußen Hippies, Prinzessinnen, Charlie Chaplin, rosa Kaninchen. Am Bahnhof ein Basketballspieler mit Afro, eine Kuh und ein Drachen.Darüber wundert man sich nur, wenn man noch nicht lange Im Rheinland wohnt und darüber hinaus das Datum vergessen hat. Es ist der 11.11. und das auch noch im Jahre 11. Das also ist der Grund dieser vielfältigen Verhüllungen! Aber seien wir ehrlich, ich habe viel über den Karneval hier gehört, habe mich auf viel eingestellt, aber, dass schon im November 50 Prozent der Leute verkleidet in die Schule und zur Arbeit gehen, damit habe ich nicht gerechnet. Um 11.11 Uhr, wir sitzen gerade im Stabsstellen- Meeting, hallt Jubel durch alle Gänge. Vergleichbar ist das mit den Freudenschreien, die nach Verkündigung von Regenpause oder später Hitzefrei durch die Schule klangen - erinnert ihr euch?
Hochstimmung ist angesagt. Auf dem Rückweg rennt eine Horde Wikinger an mir vorbei, es folgt eine Blaskapelle und auch der Anteil der Verkleideten steigt pro Minute. Abends Schlangen vor allen Kneipen und Clubs, da steppt nicht nur der Papst, sondern auch der Rest der Nation.
In diesem Sinne: Dreimol Bonn Alaaf!
PS: Das Rheinland ist zwar sehr katholisch (z.B. die einzige Region Deutschlands, die noch zwischen katholischen und Gemeinschafts- Schulen unterscheidet), aber der Martinsumzug wird jedes Jahr umgelegt. Was bildet der Herr mit dem halben Mantel sich auch bitte ein, den Tag seiner Bestattung auf den Termin zu legen, an dem die fünfte - und wichtigste - Jahreszeit eingeläutet wird?
Sonntag, 6. November 2011
Hitting the road...
Nach meiner Kampfansage der Deutschen Bahn gegenüber habe ich mich jetzt mal wieder auf die Straße begeben und das erste Mal die Mitfahrgelegenheit ausprobiert. Für 11 € (statt für 35) hatte ich die Möglichkeit, mit Thomas in seinem schwarzen BMW mitzufahren. Vor allem meine Mutter war aufgeregt, ob ich nicht an einen furchtbaren Raser geraten sein könnte, hat mich aber dann doch mitfahren lassen. Ab ging es vom Flughafen Frankfurt, wir saßen zu viert in dem Auto, haben uns kaum unterhalten, sondern uns ganz den Klängen der Musik gewidmet. Von "Jenseits von Eden" über "Marmorstein und Eisen bricht" hin zu "Moskau", womit das Klischee eines Studenten, der Mitfahrer mitfahren lässt, entkräftet wäre. Dazu gab es einen intensiven LUSH- Geruch. Wer auch nur an diesem Seifenladen vorbeigegangen ist, kennt den charakteristischen Duft und kann sich gut vorstellen, in welcher Atmosphäre wir gefahren sind.
Zur Beruhigung: Thomas ist keine Rennsemmel. Aber trotz konstanter Geschwindigkeit von
Geburtstag far away
Schon seit Freitag habe ich jeden Tag (teilweise mehrmals) in den Briefkasten geschaut, ob ich vielleicht Post bekommen habe für den großen Tag, bis Mittwoch war nicht ein einziger Brief oder eine Karte da, dementsprechend down war ich den ganzen 1. November lang. Ich wollte eigentlich ziemlich viel erledigen, hatte aber dann Lust zu gar nichts und habe nur das Nötigste gemacht. Das ist auch nicht nichts. Habt ihr schon mal einen Kuchen ohne Küchenwaage und elektrisches Rührgerät gebacken? Geht in die Armmuskeln.
Geburtstag weit weg zu feiern ist doof, klar, abends kommen Leute von hier, aber morgens alleine aufzustehen, keiner ist da, keiner singt, es gibt keinen Kuchen, nicht mal Karten oder Briefe sind da, das ist nicht so schön. Dann normal zur Arbeit.
Von meinen Kollegen habe ich einen Blumenstrauß und ein Ständchen bekommen, danach haben wir meinen Schweiß- und Blut- Kuchen zusammen gegessen. Das hat mich mit diesem besonderen Tag versöhnt. Ich habe auch früher Schluss gemacht und dann gekocht.
Auf der Menükarte stand:
Reis mit Kichererbsen-Tomaten- Auberginen- Gemüse
und
Gebackene Bananen mit Sesam und Agavendicksaft (vegan für „Honig“)
Unglaublich lecker, fanden auch meine Gäste. Angestoßen haben wir mit Asti in Kaffeetassen, Gläser hatten wir keine mehr. Wir haben viel gelacht, nach dem Essen wurde ich in der Stadt noch auf einen Cocktail eingeladen, total gut.
An meinem Geburtstag kamen übrigens noch Briefe und Karten und sogar ein Paket und viele Smsn und Anrufe, es war also doch nicht so schlimm wie befürchtet.
Alles in allem war es ein sehr guter Tag, trotz allen Widrigkeiten. Und wahrscheinlich hat mich die Tatsache, diesen Tag alleine zu meistern und ihm weit weg von zu Hause etwas Positives abzuringen, wesentlich erwachsener gemacht als die bloßen Sekunden, die den 2. vom 1. November trennen.
Das Wochenende habe ich dann mit den in Deutschland verbliebenen verbracht, die weder krank noch in Rostock waren. Freitag gab es en leckeres Essen mit meiner Familie, Samstagabend einen netten Spiele- und Unterhaltungsabend. Auch das war total klasse.