Freitag, 17. Februar 2012

Wieverfastelovend

Die jecke Zeit ist nun endgültig eröffnet.

Morgens fahre ich zeitweise komplett alleine in der Ubahn. Aber warum sollte man sich am Wieverfastelovendmorgen (Weiberfastnachtsmorgen) auch aus dem Bett quälen und zur Arbeit gehen? Selbst die Stationen, die normalerweise von Schülern wimmeln, sind heute leer. Die einzigen Schüler, die ich treffe, unterhalten sich darüber, ob genug Vodka in ihrer Apfelsaftschorle ist. Die wenigen Menschen, die mich zeitweise begleiten, sind mit nur minimalen Ausnahmen verkleidet. Aber richtig. Und sie strahlen wie kleine Kinder an Weihnachten.

Auf der Arbeit sind die Gänge fast genauso leer gefegt, in den anderen Räumen herrscht geschäftiges Treiben, die Rest der Welt feiert die 5. Jahreszeit ja nicht, das Leben geht also weiter, auch wenn wir nur patiell anwesend sind.

Um 11.30 Uhr verlasse ich das Gebäude, verpasse damit zwar in hausinterne Karnevalsparty, erlebe aber ein anderes spektakuläres Ereignis: der Bahnsteig, der morgens noch menschenleer war, ist jetzt so voll, dass man sich nicht mehr bewegen kann. Aus einem Bollerwagen schallt Musik und mindestens 150 Verkleidete tanzen und betrinken sich.

Eine Ansage tönt durch die Lautsprecher: "Aufgrund eines Motorschadens fällt die folgende Bahn leider aus. Die nächste Anschlüsse werden Verspätung haben.... Aber.... Alaaf!" Und statt trüben Gesichtern wie normalerweise, jubelen alle. Alaaf!

In der Bahn kommt man mit jedem in's Gespräch, zu Hause ziehe ich mich blitzschnell um: ich gehe als Alien. An Armen und Beinen sowie an meinem Gürtel befestige ich Alufolie, dazu kommt ein Alufolienhaarband mit Antenne, die Out-of-Haustür-Glitzerleggins und ein graues Kleid. Noch ein grüner Schaal, viel Schminke in's Gesicht und fertig. Dann ist Jessi auch schon da, wir freuen uns über Amaretto und stifeln bei Nieselregen auf nach Beuel ans Rheinufer. In der Bahn bekommen wir von einer 87-jährigen Jeckin noch einen Schnell-Sprachkurs und wissen jetzt, wie man "Wieverfastelovend" ausspricht.

In Beuel geht die Lutzi mal wieder ab. Das Rathaus ist schon seit zwei Stunden gestürmt und am Rheinufer feiern bestimmt 1000 verkleidete Jecken im Regen. Wir treffen viele bemerkenswerte Persönlichkeiten, unter anderm Frau Merkel, und unterhalten uns prächtig. Später stößt Sherlok Holmes zu uns, seinerseits Kollege im politischen Jahr.

Irgendwann wird uns kalt und wir laufen mit vielen netten Leuten zu Jessis WG. Nach kurzer Aufwärmphase machen wir uns abends nochmal auf den Weg in eine Bar zum weiterfeiern. Man kann sich fast nicht bewegen und als Kontrastprogramm zum Nachmittag hat es mindestens 40°C in dem Raum. Aber das amcht nichts, wir singen einfach alle mit und tanzen. Die Lieder sind so eingängig, dass sogar wir karnevalunerprobten Hessen und Niedersachsen ab der zweiten Strophe aus voller Kehle mitgröhlen können.

So vergehen die Stunden. Gegen Mitternacht gefühlt (ein Blick auf die Uhr verrät: es ist 20.30 Uhr, kommt eine männliche Nonne auf die glorreiche Idee, jedem, an dem sie vorbeikommt, in den Hals zu beißen, aber es scheint schon keinen mehr zu wundern. Mit Blutergus am Hals feiern wir weiter. Um 2.30 Uhr bin ich dann endlich im Bett.

Sonntag, 12. Februar 2012

Nostalgie

Endlich war es wieder soweit, wir waren zu Hause.

Morgens um 7.00 Uhr klingelt der Wecker, Grießbrei zum Frühstück und schon geht es los, Leo und ich steigen in's Auto und kommen sogar ohne Stau schnell in der Heimat an. Mama und Papa sind noch beim Einkaufen, Marie ist beim offiziellen Empfang, als wir ankommen.

Es gibt nämlich einen Grund, dass wir genau an diesem Wochenende alle in den Taunus pilgern: das neue Gebäuder unserer alten Schule wird eröffnet. Auf dieses Ereignis wird mindestens seit Ende der Bronzezeit gewartet - zumindest gefühlt sind die ersten Ankündigungen des baldigen Neubaus so lange her. Jetzt ist es soweit und ein gigantischer Koloss für 70 Millionen Euro ist fertig.

Nach dem ersten kurzer Austausch mit Mama und Papa gehe ich mit meinen Mädels, die im Land geblieben sind, Frühstücken, danach machen wir uns auf in Richtung Schule.

Schick sieht sie ja aus, nur etwas unfertig mit den rohen Betonwänden. Wir sollen später erfahren, dass der Beton handgegossen ist und damit über ein Drittel teurer als normaler Beton, der verputzt wird. Wir befinden uns also in einem belebten Kunstwerk. Auch das Mobiliar ist weitestgehend darauf abgestimmt, Tische und Regale dürfen nicht verrückt werden, damit "das Gesamtkunstwerk" erhalten bleibt. Ich weiß nicht, ob dem Architekt klar ist, dass in dem Gebäude gearbeitet werden soll...

Eine ähnliche Sache ist die Sicherheit. Der Schulhof ist nur durch einen mittelmäßig hohen Zaun von den Bahnschienen getrennt, ich warte auf den ersten Ball, dem die Kinder folgen, wenn er über den Zaun fliegt. Hoffentlich kommt kein Zug. Genauso das hüfthohe Geländer im Innenteil, der den ersten, zweiten und dritten Stock vom Foyer trennt. Der Handlauf ermöglicht schnelles Erklimmen des Geländers. Bereits am zweiten Unterrichtstag sei der erste Schüler auf dem Geländer spazieren gegangen. Aber keine Angst, das ist alles DIN-Norm da passiert nichts. Das Mathe-Abitur sollte in Zukunft trotzdem im Erdgeschoss geschrieben werden.

Ansonsten ist die Schule schon toll, wenn auch bisher nicht so lebendig wie die alte. Wir können alle Räume genau inspizieren, während zwei unserer ehemaligen Lehrerinnen uns führen. Dabei treffen wir unseren halben alten Jahrgang und viele unserer Lehrer. Es ist schön, alle unter Smalltalk und "Ach, was tun Sie jetzt?"-Update wieder zu sehen.

Tatsächlich sind wir die größten Fans und bleiben am längsten von allen. Mit Außnahme von Herrn Schott. Von 30 Minuten vor Anfang der öffentlichen Begehung bis zum bitteren Ende schwelgen wir in Erinnerungen.

Abends würden wir in's Musical gehen, Karten gibt es leider keine mehr, also Planänderung: wir treffen uns - nach dem Abendessen mit der Familie - zum Weiterquatschen. Natürlich erst im Klatsch und dann im Impuls, wie sich das in Friedrichsdorf gehört. Um kurz vor 3.00 Uhr morgens werden wir rausgeschmissen.

Am nächsten Tag gibt es noch Mittagessen und Kuchen mit der Familie, dann istd as Wochenende schon wieder vorbei und wir brechen auf nach Bonn. Wie immer viel zu kurz, aber wudnerschön.